Durch Zufall bin ich gestern Nacht noch in die Fußgängerzone Wiens nahe der Oper spaziert. Plötzlich klingen Geigentöne an mein Ohr, fein noch, aber deutlich.

Und ziehen mich magisch an.

Ich treffe auf eine Gruppe von Menschen, etwa 80 – 100 Menschen. Sie sitzen zum Teil im Kreis auf dem Boden, vor allem junge Menschen. Alle lauschen gebannt.

Auf einer Bank ein Geiger, hingegeben – klassische Stücke, Brahms, Mozart, Beethoven.

Ich setze mich dazu, neben mir ein völlig betrunkener Mensch, schreit laute Kommentare in einer östlichen Sprache… Nichts stört – selbst diese Klänge Teil. Sein Hund, ein noch sehr kleiner, großpfotiger Hund, hingestreckt, den Kopf auf dem Schoß des Mannes, scheint ebenfalls zu lauschen.

Tragende Stücke, langsam, schmelzend – ja süß – kein Kitsch, unverfälscht

Wilde Zigeunermusik – die Füße Tanz, die Hände Klatschen

Tiefe Klänge, die das Herz, die Sinne berühren, die Augen schließen lassen

Dazwischen Pausen, Stille – ein Suchen nach dem nächsten Stück – nichts vorbereitet

Am Berührendsten der Geiger selbst: Er ist Rumäne, alterslos und jung – seine Füße takten sein Spiel – die Augen Feuer, Trauer, hinreißendes Lachen, Hingabe. Sein Körper sein Instrument.

Er ist begeistert, wird zur Musik. Nicht er spielt die Geige, die Geige spielt ihn.

Ein Mädchen – am Boden sitzend, kalter Asphalt – beginnt zu weinen, sie schluchzt – zwei andere Mädchen umarmen sie, auch ihnen rinnen Tränen über das Antlitz – dann wieder Lachen.

So geht es auch mir – Tränen fließen, Lächeln, etwas ist so schön, es ist unsagbar, friedvoll, ganz. Zeit und Raum stehen still.

Die Menschen reine Freude.

Ich sitze länger als eine Stunde, zeitlos.

Was macht den Unterschied? Was ist der Unterschied zwischen diesem Moment und anderen, in denen man einen Augenblick hinhört- aha, Mozart, schön – kurz verweilt.. und dann weitergeht?

Es ist wahre Schönheit, Brillanz des Spiels, Freiheit, Absichtslosigkeit. Dieser Mensch spielt, weil er gerne spielt, einfach so, sich von Herzen verschenkt. Daß er dabei auch noch verdient – ein Geschenk. So will ich leben.

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